07 Juli, 2008

Gefühlte Inflation – gemessene Preise




In diesem Beitrag betrachte ich mal die Kommunikation über Wirtschafts-Themen in Deutschland. Aktuell sind alle Zeitungen voll mit der Furcht vor der Inflation. Einzig die Politik will uns beruhigen und spricht von ausnahmsweise 3% - 4% Inflationsrate in diesem Jahr. Für die Jahre seit 2000 soll sie sogar auf dem historischen Niedrigstand von nur 1% - 2% gelegen haben. So weit so gut.
Alle haben sich an die Preise auf den Speisekarten der Restaurants gewöhnt. Es ist auch leicht, denn die Beträge, die früher für DM galten geben nun den € Preis an, eine Preiserhöhung von satten 95% in 7 Jahren!

Da trifft es sich gut, dass ich beim Kelleraufräumen eine Ausgabe der WAZ (die weltbekannte Zeitung zwischen Duisburg und Hamm) vom 13.7.2001 fand. Auf der Titelseite 2 Schlagzeilen „Schröder: 2003 letzte Anhebung der Ökosteuer“ und „Heute fällt der Olympia-Würfel“. Viel interessanter aber fand ich die Menge an Werbebeilagen von Baumärkten, Drogerieläden etc.

Da kam mir eine Idee. Wie wäre es, wenn ich die Produkte – alle Preise noch in DM - für die dort geworben wurde, mit den identischen Produkten in den gleichen Geschäften mit den € Preisen von Heute vergleichen würde? Bei dem von den Politikern und Wirtschaftsfachleuten immer genannten Inflationszahlen in dem Zeitraum von 7 Jahren incl. der seit 2006 geltenden Erhöhung der Mehrwertsteuer (der ersten und bislang letzten finanzpolitischen Großtat der Regierungskoalition), sollte das Preisniveau der Waren nicht, lass uns großzügig sein, mehr als um 30% gestiegen sein.


Im ersten Schritt habe ich dann bei 30 absolut identischen Waren, die ebenfalls in den gleichen Geschäften wie 2001 angeboten wurden, die Preise von Juli 2001 und Heute erhoben und verglichen. Das Ergebnis zeigt 3 Gruppen von Preisniveaus:

  • 30% der Waren sind Heute günstiger als vor 7 Jahren
  • 23% der Waren bewegen sich in dem erwarteten Preiskorridor von 30% plus
  • Bei 47% der Produkte liegen die heutigen Preise deutlich darüber. In der Spitzengruppe haben es immerhin 20% aller Waren geschafft, den DM Preis mindestens als € Preis oder mehr hinzubekommen.


Interessant ist auch die Analyse nach den Geschäften und ihren Preisstrategien. Kurz gefasst kann man sagen, das Heimwerker und Tierbesitzer die A…karte gezogen haben, denn in diesen beiden Sparten sind die Preissteigerungen besonders dreist. Einsamer Spitzenreiter ist dort ein bekannter Baumarkt, der den Preis für einen Untertisch Warmwasserspeicher um sage und schreibe 195% in 7 Jahren erhöht hat! Aber auch Hundebesitzer müssen bei einem großen Tiermarkt für 15 Kg Hundefutter genau den Betrag in € zahlen, den sie 2001 in noch DM entrichtet hatten. Eine satte Steigerung von 95%. Um nicht nur negative Beispiele zu nennen, es können sich alle Freunde von Lachsölkapseln freuen, denn ihr Lieblingsprodukt ist um 44% günstiger geworden.

Wer gern die detaillierte Tabelle sehen möchte, wird hier fündig.
Bewusst habe ich bei dieser Zeitreihenanalyse den Focus auf Allerweltsartikel, die mehr oder weniger regelmäßig im Supermarkt oder Baumarkt nachgefragt werden, gelegt. Eine Analyse von Dienstleistungspreisen (Handwerkerstunden) oder Energiepreisen hätte ein noch viel drastischeres Bild ergeben.


Fazit: Die offizielle Inflationsrate wird vom Bundesamt für Statistik ermittelt. Es sei nur daran erinnert, das vor nicht allzu langer ebenfalls ein Bundesamt, in diesem Fall die Bundesanstalt für Arbeit, sehr nachlässig mit Zahlen umgegangen ist und die Arbeitslosenzahlen sehr politisch wohlwollend interpretierte, was nach der Aufdeckung dieser Machenschaften, zu ihrer kompletten Reorganisation als Bundesagentur führte.