20 Mai, 2010

Trendwende


Habe mich ja in der letzten Zeit mit meinen Beiträgen etwas rar gemacht. Der Grund lag darin, dass ich mir zum Ziel gesetzt hatte mehr über positive Themen und Entwicklungen im Bereich der Kundenkommunikation schreiben zu wollen, doch die Realität war eine andere und so entstand die Funkpause. Heute sind es gleich 2 positive Ereignisse, die sich gut für eine Betrachtung in diesem Blog eignen.

Audi will nun auch schnell ein Elektroauto für seine Kunden entwickeln. Die Meldung ist doch absolut positiv und der Audi Chef Herr Rupert Stadler sagt dann auch: "Im ersten Schritt werden das zunächst in Deutschland etwa 20 Autos sein. Das geht dann aber recht schnell in Richtung 100 Autos, weil wir auch die Erprobung von Elektroautos in anderen Märkten starten werden."

Gigantisch, bis zu 100 Elektroautos für Deutschland und den Rest der Welt. Welch unternehmerischer Weitblick. Aber es kommt noch besser, denn Herr Stadler weiß was Kunden wollen und wie man Prioritäten setzt. Starten will Audi mit dem Sportwagen e-tron, der in Genf vorgestellt wurde. "Mit ihm bauen wir Kompetenzen auf, die wir dann für weitere Projekte nutzen. Der nächste Schritt wird in Richtung eines kleineren Stadtautos gehen."

Erde an Paralleluniversum Audi; die Marktlücke sportliches Elektroauto mit einem Preis über 100.000€ ist bereits mit dem Tesla besetzt. Was der Markt und die Verbraucher aber händeringend suchen, sind doch die kleinen für den Stadtverkehr optimierten E-Cars, denn gerade in dieser Umgebung können E-Autos ihren Vorteil voll ausspielen.

Herr Stadler braucht also nur die Prioritäten zu wechseln und vielleicht mehr als eine handvoll Ingenieure dem Projekt E-Trendcar von Audi zuordnen und schon ist der Erfolg (Umsatz) bei den Kunden gesichert. Wir werden die Aktivitäten von Audi im Bereich der Elektro-Mobilität an dieser Stelle weiter beobachten.

Gern möchte ich eine Prognose wagen. Nein, nicht wer das Champions League Finale am Samstag gewinnt (Mir san mir natürlich) oder wie sich der € in der nächsten Zeit entwickelt oder wann endlich Herr Jürgen Rüttgers (58) realisiert, dass der geneigte Wähler in NRW IHN nun wirklich nicht mehr will. Ich wage also die Prognose, dass das absolute Trendunternehmen Apple spätestens im nächsten Jahr wertvoller als sein ewigen Rivalen Microsoft wird. Konkret, dass also die Börsenkapitalisierung (Summe aller Aktien x Kurs) von Apple (20. Mai 2010 = 182,44 Mrd. $) höher sein wird, als die von Microsoft (20. Mai 2010 = 247,67 Mrd. $).

Kenner werden sich noch erinnern, dass sich um 1998 Microsoft an der damals strauchelnden Apple mit 10% beteiligte. Aber in der Zwischenzeit hat Apple halt mit innovativen Produkten und Konzepten den Geschmack der Kunden getroffen, während Microsoft nichts besseres eingefallen ist als alles immer so weiter zu machen. Aber zum Glück gibt es ja Kunden, die mit ihrem Geld jederzeit abstimmen können was ihnen gefällt.

12 Januar, 2010

Weltkulturerbe Zollverein, die Wiederkehr der Industrieromantik










Ausgehend von dem am Wochenende stattgefundenen Event auf Zollverein mit der Eröffnungsfeier für die Kulturhauptstadt 2010 im Schneesturm, möchte ich, der einige Jahre dort verbracht hat, meine Gedanken dazu vorstellen.




Meine erste Begegnung mit Zollverein fand Anfang August 1970 statt. Ich war frisch angelegter Auszubildender mit dem Ziel Starkstromelektriker. Als ich an meinem ersten Arbeitstag in der Mittagszeit die Toilette aufsuchte, bekam ich einen Schock, denn es fehlten dort vor den Kabinen die Türen. Gleich ging ich zurück zu den Ausbildern um diesen Mangel zu reklamiert, was dort aber nur ein müdes Lächeln bewirkte und ich bekam den Rat, ich hätte ja nun mindestens 3,5 Jahre Zeit mich mit den Gegebenheiten auf Zollverein vertraut zu machen.




Es war für mich dann keine Frage, dass ich ein Jahr später bei den Jugendvertreterwahlen kandierte und mit dem Versprechen, mich für den Einbau von Toilettentüren einzusetzen, prompt die meisten Stimmen erlangte.




Wenn ich höre, dass Zollverein als die "schönste" Zeche im Ruhrgebiet oder sogar als "Bauhaus" Zeche bezeichnet wird, läuft es mir kalt den Rücken herunter. Ich habe die Architektur der Tagesanlagen von Schacht XII mit seiner extremen Symmetrie immer nur als sehr beängstigend wahrgenommen - bis heute übrigens! Besonders wenn man mittig zwischen den Hallen A und B auf das Kesselhaus mit dem mindestens 70m hohen Schornstein (wurde leider abgerissen) zuging, kam man sich als Däumling vor. Kann mir keiner erzählen, dass dieser Effekt der Einschüchterung nicht von den hoch gelobten Architekten Schupp und Co. voll beabsichtigt war.

Zu meiner Zeit wurde übrigens der Schacht XII noch gelegentlich "Albert Vögler" Schacht genannt Erst später fand ich raus, dass dieser Herr (Manager der Vereinigten Stahlwerke etc.) ein Nazi der ersten Stunde war.


Übrigens war eine starke Affinität zum Nationalsozialismus nicht nur ein Privileg der Betriebsführung während des Krieges, sondern auch der eine oder andere Kumpel machte dabei mit. Es war genau am 20.4.1973, ich war da schon Jugendvertreter, als mich ein Kollege aus dem gleichen Ausbildungsjahr verstört ansprach und sagte, ich solle doch mal schnell in die Halle B gehen, dort würden seltsame Dinge geschehen. Als ich die Elektrowerkstatt betrat, bemerkte ich nur, dass eine hier festliche Stimmung herrschte, das Werkzeug war weggeräumt, der Boden gefegt, die Werkbänke mit Planen bedeckt, auf denen Frikadellen, Mettbrötchen, Kartoffelsalat und Bier standen. Zweifelsohne war eine intime Geburtstagsfeier im Gange. Als ich mich dann nach dem Geburtstagskind erkundigte, sagte man mir leicht lächelnd "der Adolf"!




Ein oft gehörter Spruch während der Ausbildung war der Satz "die Zeche ist kein Rosengarten". Daher bestanden meine ersten Aktivitäten als Jugendvertreter darin, den Umstand abzuschaffen, dass Auszubildende von ihren Ausbildern auf Zollverein geschlagen wurden. Dabei wurde nicht nur unter Tage im Lehrrevier auf Schacht III von den Meisterhauern gern mit der Meterlatte zugelangt, sondern auch in der Bergberufsschule (Zollverein besaß praktischerweise eine eigene Berufsschule). Dort meinte ein Pfarrer im katholischen Religionsunterricht, dem Wort Gottes mit harter Hand Nachdruck verleihen zu müssen.




Wie der Schornstein des Kesselhauses steht auch die Bergberufsschule Zollverein nicht mehr und das Gelände ist weiträumig abgesperrt. Man hatte nämlich herausgefunden, dass die Berufsschule auf dem Gelände der ehemaligen Kokerei von Schacht III stand und dass dort im Boden Unmengen an hochgiftigen Substanzen vermutet werden. Zufall, dass mittlerweile 2 Kollegen aus meinem Ausbildungsjahr an Krebs gestorben sind?




Mein Antrieb zur Weiterbildung kam deshalb nicht aus dem Wunsch nach leichterer, besserer oder lohnender Arbeit, sondern allein aus dem Streben, als Mensch behandelt zu werden.




Auf meiner Habenseite der Zollverein Zeit steht eine grundsolide handwerkliche Ausbildung nicht nur als Elektriker sondern aufgrund des 6 monatigen Grundlehrgangs Metall auch in der Metallbearbeitung. Nach diesen und vielen weiteren Erlebnissen über- und untertage, kann mich eigentlich nichts mehr so richtig in Erstaunen setzen und glücklicherweise habe ich auch seit Mitte der 90er Jahre keine Alpträume mehr, dass ich wieder auf Zollverein arbeiten müsste.




Ich betrachte deshalb den Hype, den ein Teil der Kulturschickeria um Zollverein veranstaltet, sehr skeptisch. Meine Vermutung ist, dass ein Großteil dieser Leute die Erfahrungen und Leiden der Kumpels einer naiver Industrieromantik nachgeben.